(1986 – 1991)
1985 präsentierte BMW auf der Internationalen Automobil Ausstellung in Frankfurt fünf neue Modelle der 3er-Reihe E30 – den 324d, den 325i, dessen allrad-angetriebenen Ableger 325ix sowie das Cabrio 325i. Und noch eine weitere Variante, welche später als erfolgreichster Tourenwagen aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen sollte: Den M3.
Zum Verständnis für das „Konzept M3“ muss man etwas Basiswissen in der Struktur des Motorsports haben. BMW verdankte seinem Ruf und wirtschaftlichen Erfolg der 70er Jahre erheblich den Motorsporterfolgen im Breitensport durch Modelle wie der Neuen Klasse oder der 02er-Reihe, die von den Renn- und Rallyepisten dieser Jahre nicht wegzudenken waren. Zwar war Harald Ertl 1978 auf dem Gruppe-5-Flügelmonster BMW 320 Turbo Deutscher Rennsportmeister geworden, es sollte allerdings der einzige Titel der Bayern in dieser Serie bleiben. Außerdem hatte der Ruf einer sportlichen Limousine durch den im Alltag eher komfortbetonten 3er E21 deutlich gelitten.
Zurück zum Hintergrund: Für eine Motorsportzulassung, also die Homologation eines Modells seitens der Motorsportbehörde FIA in den möglichen Gruppen A und N (für seriennahe Tourenwagen) musste der Hersteller den Verkauf von 5.000 Straßenfahrzeugen nachweisen. Die Fahrzeuge wurden hierbei in sogenannten Homologationsblättern bis ins Detail beschrieben. In der technisch freizügigeren Gruppe A durfte die vorhandene Technik zwar bearbeitet und verändert werden, die Karosserie musste jedoch bis auf kleine Freiheiten dem Grundmodell entsprechen. In der Gruppe N musste dagegen auch die Technik exakt dem Straßenfahrzeug entsprechen. Die bestehende Modellpalette gab aber, auch beim 3er E30, in der Basis nichts her, was auf die Dauer geeignet war, Tourenwagenrennen zu gewinnen.
Also bekam die Motorsportabteilung den Auftrag, solch ein Modell zu entwickeln – angeblich ausgelöst durch ein beiläufiges „Herr Rosche, wir brauchen einen sportlichen Motor für die 3er-Reihe!“ des damaligen BMW Vorstandsvorsitzenden Eberhard von Kuenheims. Die Antwort vom Team um BMWs „Motorenpapst“ Paul Rosche war ein 2,3l-Versuchsmotor, bestehend aus einem vom Vierzylinder M10 stammenden, aufgebohrten Motorblock, kombiniert mit einem um zwei Zylinder gekürztem Vierventil-Zylinderkopf des Sechszylinder-Motors M88 (aus dem M1).
Die Stärke dieses in der Serie als S14 bezeichneten Motors war seine Ausbaufähigkeit. Im Gegensatz zu den langen Sechszylinder-Kurbelwellen ermöglichte die kürzere Kurbelwelle des Vierzylinders im Renntrimm deutlich höhere Drehzahlen von mehr als 10.000 U/min – die Motoren sollten in ihrer letzten Ausbaustufe über 350 PS leisten. Das Serienfahrzeug verfügte ursprünglich in der katlosen Version über 200 PS (alternativ mit Kat 195 PS) und wurde ab 1989 mit Katalysator und 215 PS verkauft.
Parallel dazu hatten M3-Chefentwickler Thomas Ammerschläger und seine Mitarbeiter an der Karosserie des E30 deutliche Veränderungen vorgenommen. Ausgestellte Kotflügel und breitere hintere Seitenwände sorgten für mehr Platz im Radhaus. Im Bereich der C-Säule wurde ein Rahmen aufgesetzt, die „Brille“, der dafür sorgte, dass der auffällige Heckspoiler effektiver im Luftstrom angesteuert wurde. Der Kofferraumdeckel wurde aus Kunststoff gefertigt. Front-, Heckstoßfänger, Seitenschweller und teilweise Unterbodenverkleidungen sorgten für einen verbessertem cw-Wert von 0,33 verglichen mit den 0,38 des „normalen“ E30. Zusätzlich versteift wurde die Karosserie durch das Einkleben von Front- und Heckscheibe.
Anders als erwartet wurde der M3 auch verkaufstechnisch ein Riesenerfolg. Die Produktion der M3-Limousine begann im Januar 1986, bereits vier Monate nach Verkaufsbeginn im November war die Homologationsstückzahl von 5.000 Fahrzeugen erreicht und die Erfolge im Motorsport begannen sich zu häufen:
1987 Tourenwagen Weltmeister – Roberto Ravaglia
1987 Tourenwagen Europameister – Winfried Vogt
1987 Meister Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft – Eric van de Poele
1987 Gesamtsieger Tour de Corse – Béguin / Lenne
1987 Gesamtsieger 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps – Martin / Theys / van de Poele
1988 Gesamtsieger 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps – Heger / Quester / Ravaglia
1988 Tourenwagen Europameister – Roberto Ravaglia
1989 Gesamtsieger 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring – Pirro / Ravaglia / Giroix
1989 Meister Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft – Roberto Ravaglia
1987 – 1990 Markenmeister Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft – BMW
1990 Gesamtsieger 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring – Heger / Winkelhock / Schmickler
1990 Gesamtsieger 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps – Giroix / Quester / Oestreich
1991 Gesamtsieger 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring – Hahne / Winkelhock / Nissen
1992 Gesamtsieger 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring – Martin / Danner / Cecotto
1992 Gesamtsieger 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps – Martin / Danner / Soper
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Bis heute wurden mehr als 1.500 Einzelsiege und 60 Landesmeisterschaften mit dem M3 errungen.
Bis zur Einstellung der Produktion (Limousine 1990, Cabrio 1991) wurden 17.970 Fahrzeuge, davon 786 Cabrios gefertigt. Besagtes Vollcabrio hatte BMW der Limousine ab Mai 1988 zur Seite gestellt, eine Studie davon war bereits 1987 auf der IAA zu sehen gewesen. Offizieller Hersteller sämtlicher Fahrzeuge war übrigens die BMW Motorsport GmbH, weshalb im Gegensatz zu „normalen“ E30 die Fahrgestellnummern der M3 mit „WBS“ beginnen.
Eine wichtige Rolle in der Historie des M3 spielen die Sondermodelle, die neben der normalen Produktion entstanden. Dabei kann man zwei Gruppen unterschieden. Die für den Motorsport relevante Gruppe umfasst die sogenannten „Evolutionsmodelle“. In diesen Fahrzeugen wurden verbesserte oder weiterentwickelte Serienteile verbaut, die das Straßenmodell verbessern sollten. Durch den Nachweis des Einbaus in der Serienproduktion bei mindestens 500 Fahrzeugen erlangte BMW die Möglichkeit, diese Teile nun auch im Sport einzusetzen. Die Liste solcher nachhomologierten Teile ist lang. Angefangen von leichteren Stoßstangenträgern, leichteren (weil dünneren) Scheiben über geänderte Spoiler bis hin zu Motorveränderungen ist dort alles zu finden. Es gab dafür drei Evolutionsmodelle:
1987: Dass es der Motorsportabteilung hierbei nicht um die Verkaufsförderung sondern ausschließlich um den Sport ging beweist der intern bezeichnete Evo1, welcher niemals marketingmäßig hervorgehoben wurde. Seine Evolutionsstufe bezog sich in der Hauptsache auf den Motor, hierfür bekamen 505 Fahrgestellnummern einen „Evo-Motorenkit“, der ca. 7 – 10 PS gegenüber dem Serienfahrzeug brachte.
1988: „Evolution“ – 500 Stück (werksintern Evo2) 220 PS ohne Kat, lieferbar in Macaoblau, Misanorot oder Nogarosilber. Auffälligste Details: Zusatzfrontspoiler und zusätzlichen Heckspoiler, dazu Luftsammler und Ventildeckel weiß mit M-Streifen lackiert.
1990: „Sport Evolution“ – 600 Stück, Hubraumerweiterung auf 2,5 l / 238 PS Glanzschwarz oder Brilliantrot, auffälligstes Detail: verstellbares Spoilerwerk vorne und hinten.
Außerdem legte BMW zwei weitere Sondermodelle auf, die als Hommage an Ihre Erfolge dienten:
1988 – Europameister – 148 Stück. Sämtlich Macaoblau mit silberner Volllederausstattung.
1989 – Cecotto (werksintern Sonderserie 89) – 505 Stück, in gleicher Ausstattung und Bauart wie der Evolution, aber als 215 PS Version mit Katalysator. Dieser Motor wurde dann in der Serienfertigung ab Ende 1989 übernommen. Aus dieser Reihe wurden in Großbritannien 25 Stück unter dem Namen „Ravaglia“ verkauft. Zusätzlich wurden weitere 50 Fahrzeuge in der Schweiz mit gleicher Ausstattung verkauft.
Auch im Export geriet der M3 in vielen Ländern zum Erfolg. Mit Ausnahmen wie Portugal oder Italien. Oder Südafrika.
Rhethorische Frage: Haben Sie sich jemals gewundert, warum speziell italienische Autobauer in der Lage waren, verhältnismäßig viel Leistung aus verhältnismäßig wenig Hubraum zu generieren?
Antwort: In Italien war der Gesetzgeber seit vielen Jahren der Meinung, dass für die normale Fortbewegung ein Fahrzeug mit einem Hubraum von höchstens 2,0 Liter durchaus ausreiche. Was darüber hinaus ging wurde mit einer Luxussteuer belegt. Dazu kam für Gewerbetreibende, dass sie den Kaufpreis steuerlich nicht absetzen konnten und so zogen großvolumige Fahrzeuge die Finanzprüfer an, wie Licht die Motten. Für BMW bedeute das, dort weder den 325i geschweige denn den M3 im Markt platzieren zu können. Das Ende der italienischen Fahnenstange stellte somit der 320i mit seinen anfangs 125 PS dar.
Um dennoch ein potenteres Fahrzeug als dieses zur Verfügung stellen zu können, verheiratete BMW zwischen 1988 und 1990 Achsen und Karosserie einer 325i-NFL-Limousine mit dem Antriebsstrang eines auf 2,0 Liter gedrosselten S14-Motors (192 PS). Die 2.540 gebauten Zweitürer bekamen in der Grundausführung das Karosseriepaket „M-Technic 2“, Ausstellfenster, Sportsitze sowie elektrische Fensterheber. Die 1.205 Viertürer konnten dagegen geradezu spartanisch geordert werden.
Anders als man es vielleicht wie beim M3 erwarten würde, wurde der 320is niemals für die Motorsport-Gruppen A und N homologiert. Denn auch wenn er gerne als „Italo-M3“ bezeichnet wird – seine Verbindung zum M3 liegt eigentlich „nur“ im verbauten Motor, nicht aber in der Modell-Philosophie. Gebaut, vermarktet – und homologiert – wurde der M3 als Motorsport-Modell. Der Daseinszweck des 320is war letztendlich, als regionales Ersatzprodukt für den 325i zu dienen, sprich ausschließlich der Verkauf als Serienfahrzeug. Damit erklärt sich auch, warum die – in zugegeben überschaubaren Stückzahlen gebauten – Autos auch nicht von der Motorsport GmbH, sondern wieder offiziell von der BMW AG hergestellt wurden.
Ironie der Geschichte: Die ersten 320is sind schon in den 1990er Jahren zurück nach Deutschland importiert worden, um im regionalen Motorsport eingesetzt zu werden. Hier störte auch niemand der fehlende Katalysator…
Um noch einmal die Ironie der Geschichte zu bemühen: Noch weitere Länder kamen weder in den Genuss, offiziell den 320is, geschweige denn den M3 importieren zu können – Südafrika zum Beispiel. Statt dessen liefen dort noch exotischere Eigengewächse namens 325is und 333i in Kleinserie von den Bändern, welche bis auf die Basis der 3er-Baureihe E30 mechanisch eigentlich keine Gemeinsamkeiten mit dem M3 hatten. Doch da diese Modelle wiederum hauptsächlich für den örtlichen Motorsport konstruiert und gebaut wurden, sind sie hinsichtlich der Modell-Philosophie sogar enger mit dem M3 verwandt, als z.B. der 320is oder der Alpina B6 3,5S.
Ironie der Geschichte zum Dritten: Technischer Entwicklungspartner beim 333i war eine bekannte Firma aus Buchloe gewesen… Alpina griff das Konzept des M30 auch im M3 auf, mit dem B6 3,5S. Hierbei handelte es sich um einen M3, welcher anstelle des S14 mit dem hauseigenen Sechszylinder B10/5 ausgestattet war. Nominell mit 245 PS die stärkste M3-Abart, es entstanden jedoch nur ganze 62 Fahrzeuge.
Eine klare Aussagen, wie viele Exemplare des M3 (oder auch 320is) heute noch in Deutschland zugelassen sind, ist leider nicht möglich, da vorzugsweise die Sondermodelle über Einzelgutachten zugelassen wurden und daher keine Typschlüsselnummer besitzen.