Das 3er E30 – Vollcabrio

(1985 – 1993)

„Ein Auto fürs Leben noch dazu offen“

Motor Klassik, Ausgabe Mai 2004

Das E30 Cabriolet oder Warum ist es am Rhein so schön?

Sommer 2002, wir stehen an der Rheinfähre Bad Breisig – Bad Hönningen. Obwohl die Sonne heute nur zeitweise mitspielt, ist es bei Temparaturen um 20 Grad ideal zum Offenfahren.

Während wir noch auf die Fähre warten, geht mein Blick über mein Cabrio, an dem mich hauptsächlich eben das fasziniert, was Cabriofahrer aller Marken vereint, nämlich das direkte Erleben der Natur in einem offenen Fahrzeug. Bei keiner anderen Form motorisierten Fortbewegung ist man seiner Umgebung so nah. Sozusagen mittendrin statt nur dabei.
Den nun sich entrüstenden Zweiradlern sei gesagt, daß das Fahren ohne Helm in Deutschland nun einmal verboten ist. Außerdem habe ich in meiner aktiven Zeit als Motorradfahrer noch nie einen Vogel bei 80 km/h singen hören …

Trotzdem gibt es noch mehr Gründe, warum es eben gerade dieses und kein anderes Cabriolet sein mußte.
Ist es die klare, klassische und dennoch ausdrucksstarke Linienführung?
Oder der bärenstarke, seidenweiche Sechszylinder?
Oder eher doch der süchtig machende Auspuffklang, dessen Klangspektrum vom verhaltenen, tiefen, sonoren Brummen bei 2000 U/min bis zum Nackenhaare senkrecht stehen lassenden, angriffslustigen Wiehern der 171 bayerischen Vollblüter bei 6000 U/min reicht?

Die Ursprünge meiner Liebe zu diesem Cabrio sind wohl in meiner Jugend zu suchen.
1985, als 17-jähriger Fahrschüler, sah ich beim gemeinsamen Einkauf mit meinen Eltern in einem spanischen Supermercado (wie aufregend!) zum ersten mal ein E30 Cabriolet. Ich erinnere mich nicht mehr an die Farbe oder ähnliche Details. Woran ich mich aber gut erinnern kann, ist daß mich das Auto mehr faszinierte als die sehr attraktive Insassin. Der geneigte Leser wird mir beipflichten, daß dieser Umstand bei einem unter ständigem Hormonstau leidenden Teenager schon sehr ungewöhnlich ist.

Es folgten einige Opel, Renault und weitere meinem schmalen Budget entsprechende Fahrzeuge, die die jugendlichen Verschlimmbesserungen über sich ergehen lassen mussten. Ein Opel Diplomat B 5,7 V8 (bei 25 Litern fängt der Fahrspass an) soff mich ein halbes Jahr arm, bis ich ihn wieder verkaufte. Zuetzt ein 316i mit Plastikstosstangen als Vernunftauto.

Dann begann ich, mich als Automobilkaufmann zu verdingen und kam nunmehr in den Genuss von Dienstfahrzeugen. Bis eines Tages einer unserer Mitarbeiter an mich herantrat. Er wolle sein 325i Cabrio verkaufen, da er etwas grösseres bräuchte und ein Auge auf einen 525i E34 geworfen habe. Ich weiß nicht mehr, was ich dachte, als er mir die Antwort auf die Frage nach seinen Preisvorstellungen gab. Ich weiß nur noch, das ich „gekauft“ sagte, bevor ich dieses Wort überhaupt denken konnte. Und daß ich heute auf Treffen regelmäßig einen Vogel gezeigt bekomme, wenn ich den Preis nenne …

Aber ich schweife ab. Eigentlich wollte ich ja nicht speziell über meinen Wagen erzählen, sondern den Versuch unternehmen, die Geschichte des E30 Cabrios etwas näher zu beleuchten. Dabei wird mir sicher der eine oder andere Fehler unterlaufen, also bitte ich um Korrektur. Einfach eine Email an info@3er-club.de senden. Gemeinsam werden wir es sicher schaffen, eine korrekte Historie dieses faszinierenden Fahrzeuges nachzuzeichnen.

1982: Erste Ideen

Mehr als ein Vierteljahrhundert nach den heute als absoluten Hochpreisklassikern gehandelten BMW 503/507 Cabriolets, begann man in München, sich Gedanken um einen Urenkel dieser Fahrzeuge zu machen. Basis sollte die im darauffolgenden Jahr erscheinende neue 3er Reihe mit dem Werkscode E30 sein. Obwohl das Konzept feststand, sollte es noch bis zur IAA 1985 dauern, bevor das neue 325i Cabriolet der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Um diese doch relativ lange Zeitspanne nachvollziehen zu können, muß man sich vor Augen halten, daß es nicht reicht, einer Limousine das Dach abzuschneiden, um ein Cabriolet zu bauen. Das Dach ist für die Torsionssteifigkeit jedes Automobils ein nahezu unverzichtbares Element. Diesen so genannten Schuhkartoneffekt kann man mit einem ebensolchen wunderbar verdeutlichen:
Nimmt man einen Schuhkarton mit aufgesetztem Deckel, und versucht diesen zu verdrehen, ist dafür ein grosser Kraftaufwand nötig. Nimmt man aber den Deckel ab, so ist es ganz einfach, ihn erheblich zu verformen.

Für das neue Cabriolet mußte also zur Versteifung des unteren Bereiches der Karosserie ein immenser Entwicklungsaufwand betrieben werden. Denn schließlich sollte auch dieses Fahrzeug ein echter BMW werden, der durch seine Solidität zu überzeugen wusste. Welcher Aufwand hier betrieben wurde, wird durch eine Beschreibung der gegenüber der zweitürigen Limousine geänderten Karosserieteile deutlich. Man kann im Grunde von einer völlig neu berechneten Rohkarosserie sprechen.

Die Karosserie

Die Längsträger wurden um 60 mm erhöht, um erhöhte Biegekräfte durch das fehlende Dach aufzufangen. Die Türschweller wurden erhöht, die B-Säule verstärkt und mit den ebenfalls verstärkten hinteren Federbeindomen durch Streben verbunden. Weitere Verstärkungen finden sich am Sitzkastenträger, an der zweiten Gepäckraum-Trennwand, der Lenksäulenabstützung sowie am Armaturenträger. Zusätzlich verstrebt wurden auch A-Säule mit Motorträger und vorderen Federbeinen. Nicht zuletzt trägt auch der solide Verdeckkasten, in dem das Verdeck bei Nichtgebrauch komplett verschwindet, zum soliden Gefühl dieses Fahrzeuges bei.

Um den Insassen mehr Sicherheit bei einem Überschlag zu gewährleisten, ohne die Linienführung durch einen Überrollbügel zu stören, wurde auch der vordere Scheibenrahmen verstärkt. Anstatt aber hier auf ein in den Scheibenrahmen inegriertes Stahlrohr zu setzen, wurde der Rahmen aus 2mm dickem Stahlblech gefertigt. Wenn man sich vor Augen führt, daß die normale Blechstärke im Karosseriebau bei 0,75 mm liegt, wird klar, wie stabil dieser Rahmen ist.

Das Fahrwerk

Bedingt durch das um 91 kg höhere Gewicht gegenüber der Limousine und den durch das fehlende Dach nach vorne verschobene Schwerpunkt der Karosserie musste natürlich auch das Fahrwerk überarbeitet werden, um die BMW-typische Sportlichkeit zu erhalten. Beim 325i Cabriolet wurde der Vorderachse neben einem verstärkten Stabilisator eine straffere Feder-/Dämpfer-Abstimmung spendiert. Die Hinterachse blieb gegenüber der 2-türigen Limousine unverändert. Die später eingeführten Cabrio-Versionen des 320i und des 318i hatten dasselbe Fahrwerk wie das 325i Cabrio.

Das Verdeck

Eine weitere eindrucksvolle Neukonstuktion beim neuen BMW Cabrio stellte das Verdeck dar. Im Gegensatz zu anderen Cabriolets jener Zeit, bei denen sich nach Öffnen des Verdecks ein unschöner Rucksack auf dem Fahrzeugheck auftürmte, verschwand das Stoffdach hier komplett in einem eigens dafür vorgesehen Staufach unter einer Klappe. Das Ergebnis war eine saubere Linienführung und ein offenes Fahrgefühl, von dem die Motor Klassik 2001 schrieb wie es sonst nur englische Roadster vermögen.

Aber auch die Verdeckkonstruktion selbst war ein Meisterstück der Ingenieurskunst. Bedingt durch den Verdeckkasten konnte das Stoffdach nicht, wie z.B. beim Golf Cabrio, hinten befestigt werden. So verfiel man auf eine Kontruktion, die eine zusätzliche Verspannung des Verdecks von hinten, wie z.B. beim Mercedes SL, überflüssig machte.

Durch eine sogenannte Übertotpunkt-Kinematik wurde das Verdeck beim Herunterziehen und Verriegeln des vorderen Dachspriegels gleichzeitig hinten auf die Verdeckklappe gedrückt und schloss so dicht ab. Hier liegt allerdings auch eine Schwäche verborgen. Das Verdeckgestänge muss sauber eingestellt sein. Bei zu geringem Druck auf die Verdeckklappe wird das Dach undicht. Stellt man allerdings zu stramm ein, scheuert das Verdeck mit den Kanten am Verdeckkasten und hinterläßt dort einen unschönen Abdruck im Lack.

Die Modellgeschichte

Als das E30 Cabrio auf der IAA 1985 vorgestellt wurde, gab es zunächst nur eine Motorisierung, den 2,5-l-Sechzylinder, der kurz zuvor in der Limousine den 2,3 l-Motor abgelöst hatte. Bei einem abweichenden Motorisierungswunsch wurden die Kunden an das bewährte BAUR Topcabriolet verwiesen, das nebenbei noch den Vorteil einer Versicherungseinstufung als Limousine für sich verbuchen konnte und dem auf diesen Seiten eine eigene Rubrik gewidmet ist.

Nach und nach hielten aber noch der 2,0-l-Sechszylinder mit 129 PS und, zwei Jahre vor der Einstellung des im Werk Regensburg gebauten Fahrzeuges, der neue M40 Vierzylinder mit 1,8 l Hubraum und 118 PS unter der nach alter BMW-Tradition vorne angeschlagenen Motorhaube Einzug.

Auch eine M3-Variante wurde gebaut, die allerdings mit dem betont sportlichen Auftritt nicht jedermanns Geschmack ist. Trotzdem sicher ein Fahrzeug mit grossem Sammelpotenzial, weil sehr selten. Sämtliche Modellpflegemassnahmen an der 3er-Reihe traten beim Cabrio erst mit Verspätung in Erscheinung. So auch die Überarbeitung des Modelljahres 1988 mit grösseren Heckleuchten, anderen Front- und Heckschürzen und DE Scheinwerfern. Dies ist allerdings durchaus zu begrüßen, da die Variante mit Chromstossfängern von vielen Liebhabern favorisiert wird, was auch an der Preisentwicklung zu verfolgen ist.

Huch, die Fähre ist da! Nichts wie los, die hinter uns stehenden Fahrer gucken schon böse! Aber wir haben Zeit! Der Sechsender springt spontan an, wir rollen auf die Fähre. Ich zahle und fahre bis ganz vorne durch. Nun bricht sich auch die Sonne bahn. Auf der Fähre schaue ich zu meinem geliebten Eheweibe herüber, sie streckt das Gesicht in die Sonne und murmelt: Ach, was geht’s uns gut! Von links grinst mich ein Motorradfahrer an und meint: Schönes altes Auto! Darum ist es am Rhein so schön. Und nicht nur dort…….

Soviel fürs erste, aber wenn ich fleissig Emails mit Input bekomme, stehen wir vielleicht bald wieder an einer Fähre, und ich gerate ins sinnieren….

Kleiner Nachtrag: Stand 2018 waren dem Kraftfahrtbundesamt von 142.634 gebauten Vollcabrios „immer noch“ 23.684 bekannt – mehr als von jeder anderen Karosserievariante!

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